ctt Reha

Wieder gut im Leben.

Reha bei Essstörungen

Essstörungen betreffen eine der fundamentalsten und genussvollsten Tätigkeiten des Menschen. Essen ist für Wohlbefinden, soziales Miteinander, geistige und körperliche Leistungsfähigkeit und letztlich für das Überleben unabdingbar. Alle diese Lebensbereiche sind bei einer Essstörung beeinträchtigt.
Menschen kommen seit Urzeiten zusammen, um Gemeinschaft beim Essen zu erleben. Aber gerade Betroffene haben damit Schwierigkeiten und meiden es in Gesellschaft zu essen. Feiern, Verabredungen und Einladen werden meist abgelehnt und der Weg in die soziale Isolation ist vorgezeichnet. 

Die professionelle Therapie in einer Rehaklinik für Essstörungen ist in den allermeisten Fällen der einzige Weg aus Magersucht, Bulimie oder Binge-Eating herauszufinden. Auf den Punkt gebracht: Essstörungen sind keine Marotte von Teenagern oder jungen Frauen, sondern eine komplexe psychichische Erkrankung, die Männer wie Frauen jeden Alters betreffen kann. Eine Therapie ist nicht einfach und häufig langwierig. Sie stellt für die Betroffenen und deren Umfeld oft eine große Belastung dar. Dennoch lohnt sie sich, denn die Therapie von Essstörungen kann Leben retten. 

Eine Anorexia nervosa liegt vor, wenn

  • das Körpergewicht mindestens 15% unter dem zu erwartenden Körpergewicht liegt oder der Body-Mass-Index 17,5 kg/m² oder weniger beträgt, 
  • der Gewichtsverlust selbst herbeigeführt ist, z. B. durch das Vermeiden von Speisen mit vielen Kalorien oder dem selbst herbeigeführtem Erbrechen, den Missbrauch von Abführmitteln, Entwässerungstabletten und vermehrten Sport,
  • die Betroffenen trotzdem überzeugt sind zu dick zu sein oder werden zu können,
  • der Menstruationszyklus gestört oder nur durch die Einnahme der Pille vorhanden ist,
  • Entwicklungsschritte der Pubertät gehemmt sind.

Oft sind Patienten mit Anorexia nervosa sehr leistungsorientiert und perfektionistisch, erlauben sich kaum Fehler oder Muße. Die Essstörung beginnt häufig mit dem Plan, ein wenig abzunehmen oder sich »gesünder« zu ernähren. Das dann erreichte Gewichtsziel stellt oft nicht wirklich zufrieden und es wird weiter abgenommen, ein Ende der »Diät« ist nicht mehr möglich. Die Gedanken werden zum großen Teil von den Themen Essen, Nicht-Essen, Was essen, Essensplanung, Gewicht, Kalorien, Figur usw. beherrscht. Gemeinsame Aktivitäten mit Freunden oder Familie, die mit Essen verbunden sind, machen Angst, müssen vermieden oder durch Hungern »vorbereitet« werden.

Eine Bulimia nervosa liegt vor, wenn

  • die Betroffenen sich ständig mit dem Thema Essen beschäftigen und ein unbändiges Verlangen nach bestimmten Nahrungsmitteln haben,
  • Betroffene wiederholt unkontrollierbare Heißhungeranfälle haben, bei denen sie große Mengen an Nahrung in kurzer Zeit zu sich nehmen,
  • Maßnahmen ergriffen werden, wie z. B. das selbst herbeigeführte Erbrechen, den Missbrauch von Abführmitteln, strenges Fasten zwischen den Heißhungeranfällen, um der gewichtssteigernden Wirkung der gegessenen Nahrung entgegenzusteuern,
  • die Betroffenen große Angst davor haben, dick zu werden und sich eine strenge Gewichtsgrenze setzen.

Häufig geht der Bulimie eine Anorexia nervosa voraus. Aufgrund der Essattacken und des Erbrechens schämen sich die an Bulimie erkrankten Menschen sehr häufig vor anderen aber auch vor sich selbst und verheimlichen dieses Verhalten. Je nach Häufigkeit der Ess-Brech-Anfälle kommt es zu hohen Kosten und zu Rückzug und Isolation.

  • Eine Binge eating disorder liegt vor, wenn

    • wiederholte Episoden von Essanfällen auftreten, wobei die Betroffenen bei einem Essanfall unangemessen große Nahrungsmengen unkontrolliert zu sich nehmen,
    • die Betroffenen bei einem Essanfall schneller als sonst essen, oft in großen Mengen, obwohl sie sich eigentlich gar nicht hungrig fühlen, verbunden mit Ekel- und Schuldgefühlen, 
    • die Betroffenen unter den Essanfällen leiden und zumeist eine negative Haltung dem eigenen Körper gegenüber haben,
    • oft auch Maßnahmen ergriffen werden, um dem gewichtssteigenden Effekt der gegessenen Nahrung entgegenzuwirken (z. B. Fasten, selbst induziertes Erbrechen oder vermehrter Sport).

Die Behandlung von Essstörungen kann in unserer psychosomatischen Fachklinik für Essstörungen in einem stationären oder teilstationären Setting oder einer Kombination erfolgen. Zur Sicherung der Nachhaltigkeit bieten wir die Möglichkeit an, in unserem Haus nach der Rehabilitation an Nachsorgegruppentherapie teilzunehmen oder eine ambulante Psychotherapie durchzuführen. Wenn Sie weiter entfernt leben, unterstützen wir Sie dabei, Nachsorgemöglichkeiten an Ihrem Heimatort zu finden.

Das Behandlungsprogramm
Zunächst erfolgt eine ausführliche Diagnostik:

  • Medizinische Aufnahmeuntersuchung mit körperlicher Untersuchung
  • Erhebung der körperlichen Krankheitsgeschichte
  • EKG und Laborbefunde, bedarfsorientierte ergänzende Diagnostik Psychotherapeutisches Aufnahmegespräch mit psychosozialer Anamneseerhebung unter besonderer Berücksichtigung der Erwerbsanamnese
  • Psychometrische Diagnostik
  • Einzelgespräche
    Im Bezugsrahmen einer verhaltenstherapeutischen Station erfolgt die individuelle psychotherapeutische Betreuung durch eine feste Bezugstherapeutin. Dies ist entweder eine Psychologin oder eine Ärztin, die den Therapieplan mit dem Patienten abspricht und verfolgt. Bei ihr finden regelmäßige Einzelgespräche statt.

    Verhaltenstherapeutische Basisgruppe
    Die Basisgruppe dient der Erweiterung der Problem- und Konfliktlösefähigkeiten sowie der sozialen und emotionalen Kompetenzen. Angestrebt wird die Einübung lösungsorientierter Ansätze. Ziele sind die Vermittlung von Kompetenzen im Selbstmanagement und die Erarbeitung und Vertiefung von Wissen über die Bedingungen des eigenen Verhaltens, der Kognitionen und der Emotionen. Gesundheitsverhalten, Alltagsgestaltung, Stressbewältigung, Umgang mit Ärger und der Umgang mit unangenehmen Gefühlen sowie konkrete von den Patienten eingebrachte Themen werden gruppentherapeutisch aufgegriffen und bearbeitet.

    Indikative Gruppe zur Essstörungsbewältigung
    Kognitiv-verhaltenstherapeutische Gruppentherapie zur Essstörungsbewältigung. Hier werden folgende Inhalte vermittelt und bearbeitet: Körperbildtherapie – lernen, den Körper so zu sehen, wie er ist und ihn so anzunehmen, Ursachen, auslösende und aufrechterhaltende Bedingungen von Essstörungen, Folgeschäden und Komplikationen, Set-Point-Theorie der Regulation des Körpergewichtes, ausgewogene und bedarfsgerechte Ernährung, ungünstige Einstellungen zur eigenen Person (z. B. Perfektionismus, Leistungsorientierung) sowie die Veränderung nicht hilfreicher Gedanken. Schönheitsideale und Attraktivitätskonzepte werden problematisiert. Es wird an den Themen Weiblichkeit und Frauenrolle (ggfs. Männlichkeit und Männerrolle), Lebensziele, Interaktionsprobleme, Konfliktlösefähigkeiten, Erkennen und Umgehen mit Gefühlen gearbeitet.

    Betreutes Essen
    Während der Reha bei Essstörungen findet täglich ein  gemeinsames Mittagessen in der Gruppe mit dem Gruppentherapeuten oder Ernährungstherapeuten statt – mit Übungen zum achtsamen, bewussten, genussorientierten Essen.

    Gemeinsames Kochen
    Sie kochen und essen gemeinsam in der Gruppe in der Lehrküche und werden hierbei durch unseren Küchenchef unterstützt. Dabei werden in der vorausgehenden Rezeptbesprechung die Rezepte gemeinsam festgelegt unter besonderem Einbezug angstbesetzter Nahrungsmittel. Die selbstständige Portionierung auf dem Teller wird geübt.

    Ernährungstagebuch
    Sie führen während der gesamten Reha bei Essstörungen täglich Ernährungstagebücher, die zeitnah von Ihrem Bezugstherapeuten kommentiert werden. Besprechungen erfolgen in der Einzel- und der Ernährungstherapie. Wir möchten Sie anleiten, an Ihrem Essverhalten mit Wochenzielen zu arbeiten, die in der Essstörungsbewältigungstherapie reflektiert und besprochen werden.

    Gewichtskontrolle
    Wir messen regelmäßig Ihr Gewicht. Der körperlich und psychisch sinnvolle Gewichtsverlauf ist Thema Ihrer Einzeltherapie.

    Körpertherapiegruppe
    Bewegungstherapie in der Gruppe zur Verbesserung des achtsamen Umgangs mit dem Körper, Verbesserung des Körperbewusstseins.

    Kunst- und Ergotherapiegruppe
    Kunst- bzw. Ergotherapie in der Gruppe ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil Ihrer Reha bei Essstörungen. Wir stimmen die Themen eng auf Ihre Gruppentherapie ab: Einmal in der Woche wird am Körperbild gearbeitet, der zweite Termin orientiert sich inhaltlich am Thema der Gruppentherapie.

    Ernährungsberatung im Einzelgespräch
    Ernährungstherapie als Einzelbehandlung findet regelmäßig statt, die Häufigkeit orientiert sich an Ihrem Bedarf.

    Sozialtherapie
    Einzelberatung bei der Diplom-Sozialarbeiterin findet nach Ihrem Bedarf statt, insbesondere bei beruflichen Problemen, Arbeitslosigkeit, notwendiger Neuorientierung. Des Weiteren bei notwendigen Wiedereingliederungsmaßnahmen, Belastungserprobungen, finanziellen Problemen, Planung von Maßnahmen nach der Rehabilitation (z. B. betreutes Wohnen, Hilfepläne). Folgen der Begutachtung Ihrer Arbeits- und Erwerbsfähigkeit werden erklärt und Sie werden bei den hieraus resultierenden Schritten unterstützt. Ggf. wird der zuständige Rehaberater miteinbezogen. Des Weiteren werden sozialtherapeutische Gruppen zu den Themen »Arbeitslosigkeit und berufliche Orientierung« sowie »Konflikte am Arbeitsplatz« angeboten.

    Körpermedizinische Behandlung
    Jeder Patient wird durch einen zuständigen Arzt medizinisch betreut. Die Mitbehandlung körperlicher Erkrankungen stellt auch für essgestörte Patienten eine wichtige Voraussetzung für eine positive gesundheitliche Entwicklung dar.

    Pflegegespräche
    Erster Ansprechpartner auf der Behandlungsstation ist immer die zuständige Pflegekraft im Stationszimmer. In der morgendlichen Stationsrunde werden interaktionelle und organisatorische Besonderheiten in der Stationsgemeinschaft besprochen und die Voraussetzungen für das Erleben von Geborgenheit und Sicherheit im Klinikalltag gelegt. Aufgabe hier ist die Vermittlung eines Modells für den Aufbau und die Pflege einer alltagstauglichen Beziehung, Ansprechpartner für Krisengespräche zu sein bzw. Vermittler für Kriseninterventionen der Bezugstherapeutin. In einem als sicher erlebten Raum der Stationsgemeinschaft ist es für die Patienten möglich, sich mit der eigenen Person und ihrer Geschichte und auch mit anderen Menschen auseinanderzusetzen und zu konfrontieren. Außerhalb der Anwesenheitszeiten der Pflegekraft auf der Behandlungsstation steht immer eine Pflegeperson in der medizinischen Zentrale der Klinik zur Verfügung. So ist gewährleistet, dass für alle Patienten immer eine Ansprechperson in Krisensituationen zur Verfügung steht.

    Ergänzende Elemente
    Die Rehabilitation im St. Franziska-Stift wird ergänzt durch unser Seelsorgeangebot, balneo-physikalische Maßnahmen, Colonmassagen, Krankengymnastik, und allgemeine Gesundheitsbildung.

  • Ziele der Behandlung

    • Gemeinsame Entwicklung eines bio-psycho-sozialen Genesemodells
    • Reduktion der Essstörungssymptomatik
    • Aufbau eines an Genuss, Hunger und Sättigung orientierten Essverhaltens mit regelmäßigen Mahlzeiten
    • Erweiterung des Nahrungsmittelrepertoires
    • Verbesserung der Wahrnehmung von Hunger und Sättigung
    • Je nach Ausgangsgewicht: Gewichtszunahme oder -stabilisierung
    • Auseinandersetzung mit der Gewichtsphobie
    • Verbesserung der Körperwahrnehmung und Körperakzeptanz
    • Verbesserung der sozialen Kompetenz
    • Verbesserung von Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl
    • Verbesserung der Gefühlsregulation, der Entspannungsfähigkeit und der Selbstfürsorge
    • Erstellung eines sozialmedizinischen Leistungsbildes
    • Unterstützung bei der Entwicklung einer beruflichen Perspektive bzw. bei der Rückkehr ins Erwerbsleben
    • Unterstützung bei der Planung der Nachsorgebehandlung

      Zwischenbilanz
      Nach der Hälfte der geplanten Aufenthaltsdauer wird eine gemeinsame Zwischenbilanzbesprechung mit Ihnen und dem Behandlerteam durchgeführt. Hierbei wird Ihr Behandlungsverlauf besprochen, eine erneute Zielabstimmung für die restliche Behandlungsdauer vorgenommen, das bislang erstellte Leistungsbild (Arbeits- und Erwerbsfähigkeit) besprochen sowie weitere Behandlungsmaßnahmen und die voraussichtlich notwendige Behandlungsdauer.

      Abschluss der Behandlung
      Zum Ende der Behandlung erfolgt eine medizinische Abschlussuntersuchung, bei der erhobene Befunde zusammengefasst und besprochen, die Veränderungen des körperlichen Zustandes erfragt und dokumentiert, die medizinischen Diagnosen und die Entlassungsmedikation besprochen werden. Im psychotherapeutischen Abschlussgespräch erarbeiten wir mit Ihnen die Ergebnisse der Behandlung, Ihre Bewertung der Behandlung wird erfragt und mögliche Fragen Ihrerseits beantwortet. Die Inhalte des Entlassungsberichtes werden zusammengefasst besprochen, insbesondere die Entlassungsdiagnosen, die Entlassungsform, das Leistungsbild und die notwendige Nachsorge.